Navigation und Service

  1. Startseite
  2. Presse
  3. Reden, Interviews und Gastbeiträge
  4. „Kriegsverbrecher dürfen sich nicht sicher fühlen“

DokumenttypDocTypeInterviewUndNamensartikel | Datum05. April 2022„Kriegsverbrecher dürfen sich nicht sicher fühlen“

Justizminister Buschmann über Deutschlands Rolle bei der Aufarbeitung des Ukraine-Kriegs und die Strafbarkeit des „Z“

Interviewter Dr. Marco Buschmann
Interviewer Carsten Fiedler, Gerhard Voogt, Wolfgang Wagner
Medium Kölner Stadt-Anzeiger
Ausgabe Mit dem Westfalen-Blatt sprach Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann über den Corona-Öffnungskurs und die Verfolgung von Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg. AusgabeNrVom

Herr Minister Buschmann, Sie haben im Bundestag gesagt, Deutschland habe eine besondere Verantwortung bei der Bekämpfung von Kriegsverbrechen. Wie kann die deutsche Justiz dazu beitragen?

Wir nehmen unsere historische Verantwortung äußerst ernst. So ist es bereits früher gelungen, Folterknechte von Assad in Deutschland zu verurteilen, auch wenn sie keine Deutschen waren und die Verbrechen nicht hier begangen wurden. Das war juristische Pionierarbeit. Kriegsverbrecher dürfen sich nirgendwo sicher fühlen. Erst recht nicht in Deutschland. Die Vertriebenen aus der Ukraine sind ausdrücklich aufgefordert, den deutschen Ermittlern Hinweise auf die Begehung von Kriegsverbrechen zu geben. Das können Handyaufnahmen oder Zeugenaussagen sein, die bei der Polizei eingereicht werden können und vom Generalbundesanwalt ausgewertet werden. Ich rechne damit, dass viel Material eingehen wird. Bald werden auch Menschen aus Mariupol bei uns eintreffen, die Schreckliches erlebt haben. Bei den Ermittlungen kooperieren wir eng mit dem Internationalen Strafgerichtshof.

Wird die Aufarbeitung durch das Massaker von Butscha nun umso dringlicher?

Die Bilder aus Butscha sind erschreckend und grausam. Hier ist ein schweres Kriegsverbrechen verübt worden. Das erfordert eine klare Reaktion. Wir sind uns in der Bundesregierung einig, dass wir das Paket an Sanktionen gegen Russland, das bereits sehr massiv war, weiter verschärfen müssen. Das wird kurzfristig auf den Weg gebracht. Eine juristische Aufarbeitung ist auch hier dringend erforderlich. Wenn sich Beweise sicherstellen und auswerten lassen, sollten wir alles daransetzen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Putins Erkennungszeichen für den Angriffskrieg ist das „Z“. Sollte das Symbol verboten werden?

Nach dem Paragraf 140 Strafgesetzbuch ist es verboten, schwere Straftaten wie etwa einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Öffentlichkeit zu billigen. Auch wenn wir dazu noch keine Rechtsprechung haben, spricht daher viel dafür, dass das Zeigen des Z-Symbols, je nach Kontext, unter diese Norm fallen kann, wenn dadurch der öffentliche Frieden gestört werden kann. Letztlich kommt es wie immer auf den konkreten Einzelfall an. Menschenverachtender Propaganda, die einen schrecklichen Angriffskrieg, befürwortet, stehen wir nicht wehrlos gegenüber. Im Gegenteil: Der genannte Paragraf sieht Geldstrafen und Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor.

Am Sonntag endete vielerorts die Maskenpflicht. Die Länder kritisieren, der Bund würde ihnen mit der Hotspot-Regel den Einsatz wirkungsvoller Instrumente verweigern. Erklären Sie bitte die Hotspot-Regel.

Wir wollen so viel Normalität zurück, wie verantwortbar ist. Zugleich bleiben die Länder mit der Hotspot-Regel für den Notfall handlungsfähig. Das Gesetz beschreibt sehr präzise, in welchen Situationen das der Fall ist. Nämlich wenn sich eine Virusvariante ausbreitet, die deutlich gefährlicher ist, oder wenn sich das Infektionsgeschehen so entwickelt, dass eine lokale Überlastung des Gesundheitssystems droht. Es geht also um zielgerichtete lokale Maßnahmen und gerade nicht mehr um pauschale und flächendeckende massive Einschränkungen.

Aber im Gesetz werden die Kriterien für eine drohende Gefahr nicht benannt. Ist das ein handwerklicher Fehler?

Keinesfalls. Mit dem Begriff der konkreten Gefahr, der in vielen Polizeigesetzen definiert ist, kann jeder Jurist etwas anfangen. Wir blicken also auf die reale Lage vor Ort in der Gesundheitsversorgung, anstelle auf eine Tabelle mit Inzidenzen. Das ist aussagekräftiger und somit wirksamer.

Wie erklären Sie einem juristischen Laien, wann eine Gefahr für das Gesundheitssystem droht?

Da gibt es viele Kriterien, die man heranziehen kann. Denken Sie etwa daran, dass es in der Notfallversorgung klare Vorgaben gibt, innerhalb welcher Zeit ein Rettungswagen bei einem Patienten eintreffen muss, dass er dann in eine funktionsfähige Notaufnahme kommt und ähnliches. Wenn solche Faktoren wegen einer hohen Corona-Belastung der Krankenhäuser absehbar in Richtung einer Überlastung weisen und es auch nicht möglich ist, zusätzliche Ressourcen zu organisieren, kann mit der Hotspot-Regel reagiert werden.

Die Länder kritisieren, die Vorgaben seien so streng, dass die Hotspot-Regel so gut wie nie zur Anwendung kommen wird.

Bei der Kritik ist viel Parteien-Judo im Spiel. Ich halte es für einen guten Kompromiss, der der Lage gerecht wird. Gesundheitsminister Lauterbach verteidigt das Gesetz ja auch, weil wir mehr Normalität im Alltag und Handlungsfähigkeit im Notfall gut miteinander vereinbart haben. Wir wollen den Menschen jetzt wieder mehr Eigenverantwortung zutrauen. Wer für sich eine besondere Sorge trägt, zu erkranken, kann in der Regel ja durch eine Impfung Vorsorge treffen oder sich selbst im Alltag etwa mit einer Maske wirksam zusätzlich schützen.

Der Bundestag diskutiert in dieser Woche über die allgemeine Impfpflicht. Wie ist Ihre Position?

Ich persönlich bin skeptisch, ob eine allgemeine Impflicht ab 18 das richtige Mittel wäre. Denn die potenzielle Gefahr einer Überlastung der Krankenhäuser rührt ja nach Ansicht der Befürworter von der Gruppe der über 50-Jährigen ohne Impfung her, also gerade nicht von allen Altersgruppen. Insgesamt handelt es sich um eine komplexe Prognoseentscheidung und schwierige medizinethische Abwägungen. Dafür hat der Bundestag mit dem Gruppenverfahren ohne Fraktionsbindung genau das richtige Verfahren gewählt.