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DokumenttypDocTypeRede | Datum09. November 2023Rede des Ministers beim 20. Geburtstag der Touro University Berlin

Übersetzung der Rede des Ministers Dr. Marco Buschmann beim 20. Geburtstag der Touro University Berlin am 9. November 2023

Haben Sie vielen Dank für die Einladung zur Feier des 20jährigen Bestehens der Touro University Berlin.

Es gibt in diesen Tagen und Wochen nicht Vieles, was wir feiern können. Aber dieser Geburtstag kann und soll gefeiert werden und zwar hörbar und sichtbar und voller Freude über diese 20 Jahre, die die Touro University in Berlin schon Großartiges leistet. Rabbi Teichtal hat mal von dem Licht gesprochen, das wir anzünden müssen, um die Dunkelheit zu vertreiben. Dieses Jubiläum ist eines dieser Lichter, meine Damen und Herren.

„Rooted in Jewish tradition, built on Jewish values,“ das ist der programmatische Satz der Touro University. Und es ist kein Satz, der ausschließt, sondern der willkommen heißt. Denn die jüdischen Werte, die hier zählen, sind, und das macht diese Universität unmissverständlich klar: „universal values.“

In diesem geistigen Klima kann man sich für so verschiedene Studienfächer wie Psychologie, Cybersecurity und Business Administration entscheiden und außerdem einen Studiengang wählen, der, wenn ich das richtig sehe, nach wie vor einmalig ist in Deutschland: Den Master of Arts in Holocaust Communication and Tolerance. Es ist ein wichtiger Studiengang; wie wichtig er ist, haben uns die letzten Wochen schmerzhaft vor Augen geführt.

Meine Damen und Herren, heute ist der 9. November. Das ist für die Deutschen ein Tag großer Freude und ein Tag großer Scham. Hoffnung und Zuversicht, Wut und Hass, Freude und Ausgelassenheit, Angst und Terror: all das ist mit dem 9. November verbunden. Mit Blick auf die letzten Wochen, mit Blick auf den heutigen Tag sind uns leider die dunklen Aspekte dieses Datums näher als seine heiteren. Wir denken heute eher an die Reichspogromnacht des 9. Novembers 1938 als an den Beginn der ersten deutschen Demokratie und an den Tag der Wiedervereinigung.
Was am 7. Oktober geschah, hat uns bis ins Mark erschüttert. Die Untaten der Hamas, die ich nicht noch einmal vor Augen führen möchte, gehören zu den schlimmsten Menschheitsverbrechen. Was sie für Israel, was sie für Jüdinnen und Juden bedeuten, ist kaum zu ermessen. „Es gähnt der dunkelste Abgrund“ hat die Schriftstellerin Dorit Rabinyan vor Kurzem geschrieben.

Und es schmerzt mich unendlich, und es macht mich wütend, wenn ich sehe, dass dieser Abgrund bis nach Deutschland reicht: Juden haben Angst, auf der Straße Hebräisch zu sprechen und trauen sich nicht mehr, eine Kippa zu tragen; jüdische Einrichtungen erhalten Drohanrufe; Davidssterne werden auf Häuser gesprayt, israelische Flaggen angezündet; und auf Demonstrationen hört man hundertfach Vernichtungs- und Morddrohungen gegen Israel, gegen Jüdinnen und Juden.

Meine Damen und Herren, ich komme gerade aus dem Deutschen Bundestag, in dem wir darüber gesprochen haben, wie wir jüdisches Leben in Deutschland schützen.
Wir sind uns alle darüber einig: Was wir in den letzten Wochen erleben mussten, hat in unserem Land keinen Platz. Diese Taten dürfen nicht folgenlos bleiben. Und unser Strafrecht bietet uns auch genug Möglichkeiten, hier zu handeln.
Die Bundesinnenministerin hat das erst letzte Woche belegt mit dem Betätigungsverbot, das sie für die Hamas erlassen hat, und der Auflösung des Vereins Samidoun.

Wer Propagandamittel verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verbreitet, wer Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet, wer Flaggen und Hoheitszeichen ausländischer Staaten verletzt, wer eine ausländische terroristische Vereinigung unterstützt oder Straftaten billigt: der macht sich strafbar.

Unser Rechtsstaat ist wehrhaft. Wann soll er das tatkräftig unter Beweis stellen, wenn nicht in dem Fall, dass jüdisches Leben in Deutschland attackiert wird? Für mich ist klar: Unsere Behörden müssen hier hart durchgreifen – und da stärke ich ihnen jederzeit den Rücken.

Wenn etwa auf Demonstrationen verhetzende Straftaten begangen werden, sind die Verdächtigen zu identifizieren und entsprechende Beweismittel zu sichern. Und das ist dann auch wichtiger als Deeskalation. Denn ohne Namen kann man keine Anklage erheben und damit auch nicht zu Verurteilungen kommen. Es muss eindeutig sein: Wer Straftaten begeht, muss mit Strafverfolgung rechnen.

Und wenn es sich bei den Straftätern nicht um deutsche Staatsbürger handelt, müssen wir aufenthaltsrechtliche Konsequenzen prüfen. Das heißt natürlich auch, unter Umständen eine Abschiebung zu veranlassen. Denn wer gegen Jüdinnen und Juden hetzt, bei dem besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse – und der darf erst recht keinen deutschen Pass bekommen.

Für das Staatsangehörigkeitsrecht habe ich mich daher für strengere Maßstäbe eingesetzt. Einbürgerungsbehörden sollen künftig selbst bei Bagatelldelikten wie etwa einer Beleidigung nachforschen, ob die Taten aus antisemitischen Gründen begangen wurden. Hat ein Richter festgestellt, dass antisemitische Beweggründe vorliegen, kann der Täter nicht mehr deutscher Staatsbürger werden. Ein liberales Staatsbürgerrecht zeichnet sich auch dadurch aus, dass es illiberalen Hass nicht duldet. Antisemiten sind in Deutschland nicht willkommen – und bekommen erst Recht keinen deutschen Pass!

Nun höre ich manchmal, dass man mit solchen Überlegungen den Antisemitismus der deutschen Staatsbürger relativiere. Das ist natürlich falsch. Es gibt auch unter deutschen Staatsbürgern Antisemitismus und zwar nicht nur von den Extremen, sondern aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Auch deshalb hat die Bundesregierung bereits im November letzten Jahres die Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben beschlossen.

Und der Antisemitismus der deutschen Staatsbürger ist nicht weniger abscheulich. Aber wenn ich gezwungen bin, mit den einen Antisemiten zusammenzuleben, kann daraus doch nicht folgen, dass ich auch mit jedem anderen Antisemiten zusammenleben muss. Vielmehr gilt im Kampf gegen den Antisemitismus: Wir müssen uns aller Mittel bedienen, die uns der Rechtsstaat zur Verfügung stellt.

Einem Einwand, den ich auch manchmal höre, möchte ich noch begegnen, und zwar: man müsse die beiden Seiten des Konflikts sehen.
Meine Damen und Herren, darauf kann ich nur nüchtern erwidern: das tun wir.

Wir sehen auf der einen Seite eine terroristische Mordbande und auf der anderen unschuldige Opfer. Wir sehen auf der einen Seite ein fanatisches islamistisches Regime und auf der anderen eine liberale Demokratie. Wir sehen auf der einen Seite widerlichste antisemitische Hetze und auf der anderen Jüdinnen und Juden, die auch hier in Deutschland um ihr Leben fürchten.

Und wir wissen daher sehr genau, an wessen Seite wir stehen: an der der Opfer, an der der liberalen Demokratie, an der der Jüdinnen und Juden. Wir stehen an der Seite Israels.
Am Israel chai!

Ich danke Ihnen.

‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒